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Der vorliegende Forderungskatalog ist gemeinsam mit den CSD-Bündnissen aus Altenburg, Eisenach, Erfurt, Gera, Gotha, Jena und Weimar erarbeitet worden. Wir vom Bündnis Christopher Street Day (CSD) Thüringen stellen auch 2023 wieder gemeinsame Forderungen an Politik, Gesellschaft und an die queere Community, um die Vielfalt und Sichtbarkeit von LSBTIQ* im Freistaat Thüringen zu stärken. Es ist uns ein großes Anliegen, mit Blick auf die Thüringer Landtagswahl 2024, auf die zunehmenden rechten Strömungen in Politik und Gesellschaft aufmerksam zu machen und den Fortbestand und die Sicherheit von LSBTIQ* stärker in den Fokus der öffentlichen Debatte zu nehmen.

 

1) Rechtliche Gleichstellung

1.1) Wir fordern die Ergänzung des Artikel 3 im Grundgesetz

Die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland sichert die Gleichheit vor dem Gesetz. Wir fordern die Ergänzung des Art. 3 Abs. 3 GG um ein Verbot der Diskriminierung aufgrund der geschlechtlichen und sexuellen Identität. Dies würde eine deutliche Verbesserung für die juristische Anerkennung in Fällen von Herabsetzung und Diskriminierung queerer Menschen schaffen und gleichzeitig den Weg zu einer neuen gesellschaftlichen Debatte zu LSBTIQ*-Themen öffnen.

1.2) Wir fordern die umgehende Abschaffung des TSG und die Streichung diskriminierender Formulierungen im Referentenentwurf des Selbstbestimmungsgesetz (SBGG)

Das Transsexuellengesetz (TSG) drängt trans, inter und nichtbinäre Menschen dazu, dem Gericht ihr Gefühl der Geschlechtszugehörigkeit über drei Jahre hinweg dokumentarisch offenzulegen sowie zwei kostspielige Gutachten vorzuweisen, um Namen oder Personenstand ändern zu lassen.

Wir fordern die schnelle Abschaffung des TSG, weil es trans, inter und nichtbinären Menschen durch seine behördlichen Einschränkungen das Recht auf Selbstbestimmung nimmt!

Wir fordern eine schnelle Bearbeitung bestehender diskriminierender Aspekte des Referentenentwurfs des SBGG, wie die dreimonatige Karenzzeit, den erschwerten Zugang für Jugendliche, die Ausnahmen im Offenbarungsverbot und transmisogyner Ausnahmen im Hausrecht.

Wir begrüßen eine schnelle Überarbeitung der Eckpunkte und eine schnelle Umsetzung des SBGG, um trans, inter und nichtbinären Menschen das ihnen zustehende Recht auf Selbstbestimmung über ihre Identität und ihren eigenen Lebensentwurf zurückzugeben.

1.3) Wir fordern die volle Anerkennung aller Familienformen

Familie beginnt dort, wo Menschen aus Liebe Verantwortung füreinander übernehmen. Dies gilt unabhängig von Geschlecht, Alter, Kindern oder der Anzahl der Personen die eine Familie bilden. Daher fordern wir, dass das Abstammungsrecht an die Lebenswirklichkeit der Menschen und an die neuen Möglichkeiten zur Zeugung und Entstehung von Kindern angepasst wird. Die Entscheidung für ein Kind sollte allen Menschen unabhängig ihrer bevorzugten Familienform oder ihres Einkommens offenstehen.

  • Wir fordern eine stärkere Beteiligung der gesetzlichen Krankenkassen an Kinderwunschmaßnahmen.
  • Wir fordern die Ergänzung einer vollwertigen rechtlichen Elternschaft unabhängig des Geschlechts neben Mutter und Vater.
  • Wir fordern die Öffnung der gesellschaftlichen Debatte auf Möglichkeiten der Eizellspende und Embryoadoption
  • Wir fordern die automatische rechtliche Anerkennung der Ehepartnerin als rechtliches Elternteil im Sinne des Kindeswohls für alle Geschlechter.

1.4) Wir fordern Sichtbarkeit von intergeschlechtlichen und nichtbinären Menschen

Durch die Einführung des dritten Geschlechtseintrags "divers" wurden intergeschlechtliche Menschen erstmalig rechtlich in offiziellen Ausweisdokumenten anerkannt. Doch auch weiterhin mangelt es an Sichtbarkeit und der Kenntnis um ihre besonderen Bedarfe in der Gesundheitsversorgung.

Leider ist es nichtbinären Menschen nicht oder nur schwer möglich, einen geschlechtsneutralen Eintrag rechtlich anerkennen zu lassen. Sich außerhalb der Bezeichnung „Mann“ oder „Frau“ zu bewegen, heißt oft unsichtbar zu sein. Die Wissenschaft weißt darauf hin, dass sich biologische Geschlechtsmerkmale nicht immer eindeutig in die Kategorien "männlich" und "weiblich" zuordnen lassen. Hierdurch wird es sinnvoll, Geschlecht nicht mehr binär zu denken, sondern den Menschen und seine Körpermerkmale individuell zu betrachten

Wir fordern die rechtliche Anerkennung aller Geschlechtsidentitäten jenseits der Kategorien männlich und weiblich. Geschlechtliche Selbstbestimmung muss anerkannt werden.

  • Wir fordern einen gleichberechtigten Zugang zur schnellen Namens- und Personenstandsänderung von nichtbinären Menschen und die schnelle Umsetzung des SBGG, um alle Menschen in ihrer geschlechtlichen Identität anzuerkennen.
  • Wir fordern ein eindeutiges Verbot von medizinisch nicht notwendige Operationen bei intergeschlechtlichen Kindern

 

 

2) Queere Strukturprojekte in Thüringen

2.1) Wir fordern die Umsetzung und Fortführung des Landesprogramms für Akzeptanz und Vielfalt

Am 30.01.2018 verabschiedete die Landesregierung das Thüringer Landes­programm für Akzeptanz und Vielfalt mit dem Ziel, Akzeptanz für LSBTIQ* in der Öffentlichkeit zu fördern, Gleichstellung zu verwirklichen, sowie Vielfalt als Querschnittsaufgabe in Politik, Verwaltung und Gesellschaft zu verankern. Bis heute sind nur wenige Maßnahmen des Landesprogramms umgesetzt worden. Finanzielle Mittel stehen nicht oder nicht ausreichend zur Verfügung und es fehlen konkrete Ansprechpersonen im überwiegenden Teil der Verwaltung. Die gegenwärtige Landesregierung unterstützt durch das Landesprogramm die Entwicklung und den Fortbestand queeren Lebens in Thüringen. Die Finanzierung steht unter Haushaltsvorbehalt, weshalb jedes Jahr Unsicherheit bezüglich einer Weiterführung der Maßnahmen herrscht. Ein Ende der Maßnahmen würde einen Fachkräfteverlust und ein Ende hauptamtlicher Unterstützung in allen Bereichen bedeuten.

Deshalb fordern wir mit Blick auf den Wahlkampf und die Landtagswahlen 2024 die Finanzierung queerer Projekte in den Fokus der öffentlichen Debatte zu nehmen:

  • Wir fordern die Thüringerinnen aktiv dazu auf, Parteien zu unterstützen, welche bereit sind, notwendige Projekte der Antidiskriminierungsarbeit finanziell abzusichern,
  • Wir fordern in der Regierungsbildung und von einer neuen Landesregierung eine klare Position für die Weiterführung des Landesprogramms für Akzeptanz und Vielfalt,
  • Wir fordern Finanzierungssicherheit über eine Projektlaufzeit von einem Jahr hinaus und einen Ausbau bestehender finanzieller Mittel, um dem bestehenden und wachsenden Bedarf auch langfristig vollumfänglich gerecht zu werden!

Darüber hinaus fordern wir die umgehende und nachhaltige Umsetzung des Landesprogramms unter Beteiligung der LSBTIQ*-Zivilgesellschaft:

  • Fortbildung von psychologischen, psychiatrischen und psycho­therapeutischen Personal in den Lehrkrankenhäusern des Universitätsklinikums Jena sowie weiteren Krankenhäusern und Kliniken zu LSBTIQ-spezifischen Themen, insbesondere auch von Hebammen und Personal in Geburtskliniken zum Thema Intergeschlechtlichkeit,
  • Überarbeitung der „Polizeilichen Maßnahmen in Fällen häuslicher Gewalt - Leitlinien der Thüringer Polizei“ in Bezug auf die Zielgruppe LSBTIQ-Menschen,
  • Schulung der Opferschutzbeauftragten der Thüringer Polizei für den Umgang mit LSBTIQ-Menschen,
  • Einbindung von Angeboten des Landesprogramms DenkBunt bezüglich Medienkompetenz, Körper- und Schönheitsnormen, Ursachen, Folgen und Geschichte von Diskriminierungen sowie Demokratie- und Vielfaltskompetenz in das Fortbildungsangebot des ThILLM,
  • Integration von LSBTIQ-Themen in die Jugendleiter_innenschulungen zur Erlangung der Jugendleitercard (Juleica),
  • Berücksichtigung von Regenbogenfamilien, gleichgeschlechtlichen Ehen und weiteren Lebensmodellen in amtlichen Formularen und Anträgen,
  • Entwicklung von Leitlinien für den Umgang mit LSBTIQ-Menschen in der Altenpflege für die Ausbildungs- und Weiterbildungscurricula der Pflegeberufe,
  • Bekanntmachung von Diversity-Zertifizierungen für Unternehmen und
  • Anregung und ggf. Förderung eines queeren Filmfestivals in Thüringen.

2.2) Wir fordern politische und finanzielle Unterstützung für Akzeptanz-Projekte

Eine Vielzahl ehrenamtlicher Projekte kümmern sich in Thüringen um die Belange von LSBTIQ*. Sie sollen durch politische und verwalterische Rahmen­bedingungen unterstützt und finanziell abgesichert werden, um eine professionelle und kontinuierliche Arbeit zu ermöglichen. Hierdurch kann Vielfalt von LSBTIQ* in Thüringen sichtbar gemacht, Akzeptanz gefördert und Diskriminierung begegnet werden.

2.3) Wir fordern den Ausbau Queerer Zentren und Angebote im ländlichen Raum

Gerade außerhalb der Städte sind viele LSBTIQ* mit ihren Problemen und Anliegen auf sich alleine gestellt. Die bestehenden hauptamtlichen Angebote fokussieren sich zumeist auf die urbanen Zentren Erfurt, Weimar und Jena. Um langfristig auch in den ländlichen Regionen tätig werden zu können, muss die bestehende staatliche und finanzielle Unterstützung weiter ausgebaut werden, um mobile Beratungs- und Unterstützungsangebote aufzubauen und wohnortsnahe Projekte und Angebote sowie die Gründung weiterer Queerer Zentren in Thüringen zu ermöglichen.

Queere Zentren sind Orte, in denen Bildung, Beratung, Begegnung und Austausch zwischen Menschen stattfindet. Sie dienen als Anlaufstelle für ratsuchende LSBTIQ*, Angehörige und Fachkräfte und verbessert nachhaltig die Lebenssituation queerer Menschen. Die Gründung weiterer Queerer Zentren in den Planungsregionen Thüringens würde allen Menschen eine bessere räumliche Anbindung für Unterstützung und Beratung bei Fragen im Umgang der eigenen geschlechtlichen und sexuellen Identität ermöglichen. Dies würde die Angebote des seit September 2021 bestehenden Queeren Zentrum Erfurts ergänzen und weitere Impulse für zivilgesellschaftliches Engagement ermöglichen.

  • Wir fordern von Politik und Gesellschaft stärkere Unterstützung und ein breiteres Problembewusstsein für die unterschiedlichen Bedürfnisse queerer Menschen im ländlichen Raum. Gleichstellungsbeauftragte sollen sich verstärkt auch für queere Menschen einsetzen.
  • Wir fordern die Finanzierung von wohnortnahen Angeboten und Queeren Zentren in Thüringen und einen Ausbau von mobilen Beratungs- und Unterstützungsangeboten.

 

 

3) Gesundheit

3.1) Wir fordern öffentliche Teilhabe für Betroffene und gesellschaftliche Aufklärung zum entkräfteten Zusammenhang zwischen Homosexualität und HIV

Männer, die Sex mit Männern haben (MSM) und trans Menschen wurden lange in den Richtlinien zur Übertragung von Blutprodukten als Risikogruppe eingestuft. In der Folge durften sie erst nach einem Jahr Enthaltsamkeit Blut spenden. Wir sehen die Entwicklung positiv, dass die Bundesärztekammer die diskriminierende Regelung abgeschafft hat.

  • Wir fordern öffentliche Aufklärung, um auch der weiterhin bestehenden Diskriminierung HIV-positiver Menschen im Alltag entgegenzutreten und den öffentlich bestehenden Mythos eines Zusammenhangs zwischen Homosexualität und HIV mit Blick auf das individuelle Risikoverhalten zu entkräften.

3.2) Wir fordern die Sicherung der gesellschaftlichen Teilhabe von HIV-positiven Menschen

Die Diagnose HIV-positiv ist für Betroffene nicht nur ein oft persönlich niederschmetternde Diagnose, oft folgt aus ihr auch der Verlust gesellschaftlicher Teilhabe. Ob in der Arbeitswelt oder im Ehrenamt, bei der Auswahl möglicher Urlaubsziele oder Bekannte, die sich von einem abwenden. HIV-positive Menschen sind noch immer vielfältiger Diskriminierung ausgesetzt. Neben der notwendigen gesellschaftlichen Debatte ist auch sicherzustellen, dass der Gesetzgeber im Rahmen seiner Möglichkeiten die Rechte von HIV-positiven Menschen sichert, indem er etwa der Polizei verbietet, den personengebundenen Hinweis „HIV-positiv“ zu speichern.

3.3) Wir fordern die Anpassung des Gesundheitssystems an eine sex-positive Gesellschaft

Sexualität muss selbstbestimmt und eigenverantwortlich praktiziert werden. Dies ist nur möglich, wenn die Ausbreitung von sexuell übertragbaren Krankheiten durch Aufklärung, Vorsorge und Früherkennung eingedämmt werden. Deshalb müssen entsprechende Tests und Vorsorgemaßnahmen einfacher und für alle zugänglich gemacht werden. Das betrifft besonders Beratungs- und Unterstützungsangebote für Menschen in Haft, die bisher weitgehend unterversorgt sind. Weiterhin braucht es eine Sensibilisierung von Ärzt*innen sowie anderen in pflegenden und medizinischen Berufen tätigen Menschen für die besonderen Herausforderungen und Bedarfe von LSBITQ*-Menschen.

3.4) Wir fordern eine bessere Gesundheitsversorgung und die Enttabuisierung von Menstruation

Auch heute noch ist Menstruation ein Tabuthema in vielen gesellschaftlichen Bereichen. Neben der Tatsache, dass Menstruierende häufig aufgefordert werden, ihre Menstruation zu verbergen, wird sie auch häufig noch innerhalb einer binären Geschlechtervorstellung bei "Frauen" verortet. Doch nicht alle Menstruierenden sind Frauen und nicht alle Frauen menstruieren. Wir fordern leichteren Zugang zu Menstruationsartikeln und Aufklärung in der Öffentlichkeit, dass Menstruation und Geschlecht nicht zwangsläufig miteinander verbunden sind.

  • Wir fordern eine bessere Gesundheitsversorgung von Menstruierenden und kostenlosen Zugang zu Periodenprodukten in der Öffentlichkeit
  • Wir fordern eine flächendeckende Versorgung von Ärzt*innenpraxen, in welchen Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden können und eine Streichung des § 218 StGB

3.5) Wir fordern die Berücksichtigung von queeren älteren & pflegebedürftigen Menschen

Auch queere Menschen können im Alter oder durch andere Umstände pflege­bedürftig werden. Wir fordern Fortbildungen für pflegerisches und medizinisches Personal. Diese sollen für die Bedürfnisse und Lebensumstände von queeren Menschen sensibilisiert werden, um Sensibilität im Arbeitsalltag wirksam werden zu lassen.

 

 

4) Bildung

4.1) Wir fordern queere Vielfalt im Bildungswesen

Für ein angst- und diskriminierungsfreies Leben ist die allgemeine Anerkennung und Wertschätzung von gesellschaftlicher Vielfalt unabdingbar. Die Erziehung und Vermittlung von Toleranz beginnt in Familie, Kita und Schule. Diskriminierung steht leider auch heute noch in vielen Bereichen des Lebens auf der Tagesordnung. Insbesondere junge Menschen erfahren im Alltag Beleidigungen und auch körperliche Gewalt, weil sie anders sind als die Mehrheit ihrer Mitschüler*innen. „Schwul“ oder "Lesbe" wird auch heute auf vielen Schulhöfen als Schimpfwort verwendet. Um psychische Schäden bis hin zur Suizidalität und körperliche Übergriffe vorzubeugen, fordern wir die Sensibilisierung von Eltern, Lehrer*innen und Erzieher*innen für einen angemessenen und diskriminierungsfreien Umgang mit Kindern. Viele Handreichungen für Eltern und Fachpersonal dienen dabei als Unterstützung. Lehrkräfte und Eltern sollen altersgerecht Themen der LGBTIQ*-Community besprechen und Kindern und Jugendlichen zeigen, dass Diversität, also die Verschiedenheit und Vielfalt menschlicher Lebensentwürfe, in unserer Gesellschaft akzeptiert und toleriert wird.

  • Wir fordern die Förderung queersensibler Schulaufklärungsprojekte, Multiplikatorinnenschulungen sowie Fachkräftefortbildungen. Hierfür müssen Kommunen und Länder Gelder bereitstellen, um eine professionelle und moderne Sexualerziehung zu ermöglichen, welche die besonderen Herausforderungen und Belange queerer Schüler*innen in den Blick nimmt.

4.2) Wir fordern eine Abschaffung von Gendergrenzen und Rollenklischees in Sprache und Kleidung

Die Unterscheidung von „typisch männlich“ und „typisch weiblich“ begleitet uns alltäglich. Der Druck diesen Geschlechterrollen entsprechen zu müssen, resultiert häufig in internalisierte Homofeindlichkeit sowie in Diskriminierung und Marginalisierung von trans, nichtbinären und intergeschlechtlichen Menschen.

  • Wir fordern die Anerkennung der Geschlechtervielfalt und das damit einhergehende Ende von Geschlechtergrenzen und -rollen.
  • Wir fordern eine Abschaffung von sexistischer Sprache sowie der stereotypischen Darstellung von Menschen.

 

 

5) Angebote und Unterstützung

5.1) Wir fordern lesbische Sichtbarkeit und Solidarität

Die Bedürfnisse und Belange von lesbischen Personen werden in Gesellschaft, Politik und Öffentlichkeit, aber auch in der Community kaum thematisiert. Wenn von Homosexuellen gesprochen wird, dann werden lesbische Personen meist nur „mitgemeint“, da schwule Männer häufig Bild und Themen dominieren. Lesbische Personen werden mit ihren spezifischen Ausgrenzungserfahrungen ignoriert oder nur unzureichend wahrgenommen, dabei sind sie keine homogene Gruppe. Ihre Erfahrungen, Chancen und Identitäten werden neben ihrem Geschlecht auch von vielen anderen Faktoren geprägt. Lesbische Personen sind oft von Mehrfachdiskriminierung betroffen. Dies kann ihren migrantischen Hintergrund, ihre Hautfarbe, ihre geistige oder körperliche Behinderung, ihren Bildungsstand oder ihre Nichtbinarität, Trans- oder Intergeschlechtlichkeit betreffen. Sie müssen mit ihren unterschiedlichen Lebenserfahrungen, ihren Anteil an Kultur, Gesellschaft und Geschichte und besonders in Bezug zur Frauenemanzipation sichtbarer werden. Hierdurch kann bestehenden Benachteiligungen etwas entgegengesetzt und Rollenbilder für junge lesbische Personen geschaffen werden.

5.2) Wir fordern Inklusion & Barrierefreiheit in queeren Räumen

Wir fordern Barrierefreiheit und Inklusion in queeren Räumen. Wie in den meisten anderen Teilen der Gesellschaft auch, sind viele queere Räume immer noch nicht an die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung angepasst. Um das zu ändern und um Betroffenen eine Teilnahme an den existierenden Angeboten zu ermöglichen, braucht es sowohl Unterstützung für notwendige Umbaumaßnahmen als auch eine Sensibilisierung der queeren Szene für Anliegen queerer Menschen mit Behinderung, um Mehrfachdiskriminierung zu vermeiden.

5.3) Wir fordern Angebote für alle Altersgruppen

Kulturelle und unterstützende Angebote für LSBTIQ* sollen allen Altersgruppen zugutekommen. Diese müssen so breit gefächert sein, dass für jede Altersgruppe ansprechende Angebote existieren. Insbesondere für die Altersgruppe 50+ müssen hierfür mehr Angebote etabliert werden.

  • Wir fordern die verstärkte Förderung von queeren Jugendgruppen,
  • Wir fordern die Aufstellung eines Angebots für ältere LSBTIQ.

5.4) Wir fordern die Aufarbeitung der LSBTIQ-Geschichte

In den 20er-Jahren der Weimarer Republik hat sich eine vielfältige queere Subkultur entwickelt, welche nach der Machtübernahme der NS-Diktatur 1933 vernichtet wurde. Insbesondere homosexuelle Männer und trans Frauen sind von dem Regime verfolgt, verschleppt und u.a. im Konzentrationslager Buchenwald in Thüringen systematisch hingerichtet worden. Rechtliche Grundlage war der § 175 StGB, welcher auch weiterhin in der BRD und DDR fortbestand und erst im Jahr 1994 nach der Wiedervereinigung der deutschen Länder abgeschafft wurde. Das daraus hervorgebrachte Unrecht ist bis heute nicht vollständig aufgearbeitet worden.

  • Wir fordern die aktive Förderung der Erinnerungskultur und die Aufarbeitung der LSBTIQ-Geschichte.
  • Wir fordern die Ergänzung des Art. 3 Abs. 3 GG um die sexuelle und geschlechtliche Identität. Hiermit wären LSBTIQ die letzte von der NS-Diktatur verfolgte Gruppe, welche unter den Schutzbereich des Grundgesetzes aufgenommen werden. Dies muss in Anbetracht der deutschen Verantwortung umgehend erfolgen!
  • Wir fordern eine umfassende Entschädigung derer, welche nach § 175 StGB verurteilt worden.

5.5) Wir fordern einen queeren Kulturpreis in Thüringen

Auch queere Menschen prägen Kultur aktiv mit - bisher jedoch häufig mit wenig Sichtbarkeit für ihre wichtige Arbeit unter herausfordernden Bedingungen. Mit einem queeren Kulturpreis soll diese Arbeit unterstützt und gewürdigt werden.

  • Wir fordern die Sichtbarmachung und Würdigung von queeren Kulturschaffenden, die sich in ihrer Arbeit schwerpunktmäßig mit LSBTIQ-Themen auseinandersetzen.
  • Wir fordern die Etablierung eines queeren Kulturpreises, der vom Land Thüringen vergeben wird.

 

 

6) International

6.1) Wir fordern die weltweite Unterstützung von LSBTIQ

Weltweit erleben LSBTIQ* Diskriminierungen, Ausgrenzungen und Verfolgungen bis hin zur Todesstrafe. Selbst innerhalb der Europäischen Union werden LSBTIQ* aktiv ausgegrenzt und stigmatisiert, so z. B. in Polen, wo Gemeinden und Gebiete sich zu sogenannten „LSBTIQ*-freie Zonen“ erklären oder in Ungarn, wo die Rechte von trans und intergeschlechtlichen Menschen eingeschränkt wurden. Das Europaparlament hat am 11. März 2021 die Europäische Union zu einer „LGBTIQ Freedom Zone“ erklärt.

  • Wir fordern, dass auf die Erklärung der EU Taten folgen und keine Aufwertung von einigen Länder gegenüber einer Abwertung anderer Ländern resultiert.
  • Wir fordern im Rahmen internationaler Kooperationen den aktiven Einsatz für Akzeptanz von Vielfalt, das Benennen jeder Art von Diskriminierung und das Entgegentreten gegen menschenfeindliches Handeln.
  • Wir fordern Partnerinnenstädte im In- und Ausland auf, sich öffentlich wahrnehmbar für LGBTIQ*-Rechte einzusetzen. Dies muss in einem bundesweiten Aktionsplan für Akzeptanz und Vielfalt zur Bekämpfung von Homo-, Bi-, Trans- und Interfeindlichkeit verankert werden.
  • Wir betrachten die Entwicklungen der "Don't say gay"- Gesetze in Florida und die Anti-LSBTIQ-Gesetze in Uganda mit großer Sorge und fordern eine Abkehr bestehender Entwicklungen hin zu einer weltoffenen Weltgemeinschaft, in der alle Menschen unabhängig von ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität selbstverständlich Anteil nehmen sollen!
  • Wir solidarisieren uns mit allen queeren Menschen weltweit, welche von systematischer Diskriminierung und Verfolgung aufgrund ihrer geschlechtlichen oder sexuellen Identität betroffen sind und fordern mehr Unterstützung für queere Menschen durch internationale Organisationen.

6.2) Wir fordern, dass Religionsfreiheit nicht in andere Menschenrechte eingreifen darf

Immer wieder führen religiöse Ansichten und Interpretationen zur Benachteiligung von Schwulen, Lesben, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen. Das kirchliche Arbeitsrecht entzieht queeren Menschen die berufliche Grundlage. Mit sogenannten Reorientierungskursen versuchen selbst ernannte Heiler*innen Menschen zu „heterosexualisieren“. Morde im Namen eines vermeintlichen Religions- und Ehrverständnisses der Täter*innen bedrohen nicht nur selbstbestimmte Frauen, sondern ebenso queere Menschen.

Wir wollen mit unserer Forderung keineswegs Religionen oder den Glauben von Menschen diskreditieren, wir weisen aber jede Intention von Religionsgemeinschaften, Kirchen oder gat einzelnen Fanatiker*innen zurück, die die gesellschaftliche Position von queeren Menschen schwächen oder queeres Leben und ihre Vertreter*innen gar vernichten wollen.

6.3) Wir fordern im Asylverfahren eine schnellere Anerkennung queerer Geflüchteter, welche aufgrund ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität verfolgt wurden

In zahlreichen Ländern werden LSBTIQ* diskriminiert, verfolgt oder mit dem Leben bedroht. Deutschland muss ein sicherer Zufluchtsort sein. Hierfür muss die Bundesregierung alle Bestrebungen unternehmen, LSBTIQ* in ihren Heimatländern zu unterstützen und Akzeptanzprojekte vor Ort zu fördern.

  • Wir fordern ein umfassendes Recht auf Asyl bei jeglicher Art von Verfolgung oder Diskriminierung. Es ist dringend geboten, Verfolgung aufgrund der geschlechtlichen oder sexuellen Identität im Asylverfahren stärker zu berücksichtigen.
  • Wir fordern den unverzüglichen Abschiebungsstopp von LSBTIQ*-Menschen, die aufgrund ihrer queeren Identität Asyl suchen. Geflüchtete, die aufgrund ihrer geschlechtlichen oder sexuellen Identität Asyl suchen, müssen eine geschützte Unterbringung erhalten. Hierbei müssen Zwangs-Outings vermieden werden, welche die Sicherheit von queeren Asylsuchenden in ihrer migrantischen Community gefährden.